Es ist früh

Leoporello spitzte die Ohren, machte kurz Wuff. Draußen stand jemand vor der Tür. Gilda legte Ihre Gabel ab. Hugo schaute sie fragend an, als es klingelte. Er erhob sich vom Tisch und schlurfte zur Tür. Leo stürmte vor ihm her und erreichte sie als erster. Ein aufforderndes, kurzes Bellen. “Ja, ja ich mach ja schon auf …” beruhigte Hugo seinen Collie. 

Seine Mutter verbarg sich hinter der Tür. Hugo sagte nichts, schaute sie fragend an. “Ich habe die Nacht so schlecht geschlafen, Hugo. Ich mache einen kleinen Spaziergang.” Die Sonne war wirklich gerade erst aufgegangen. Der Rauhreif lag auf den Scheiben der Autos und funkelte schon ein wenig aus den Sträuchern und Bäumen. Wortlos leinte er den Hund an und gab ihr die Schlaufe in die Hand. Leo freute sich offensichtlich auf den kleinen Spaziergang mit Donna. Das Hunde immer mit dem Schwanz wedeln müssen, wenn sie sich freuen, dachte Hugo. Etwas übertrieben, oder. “Dank Dir. Es ist einfach viel angenehmer, wenn Leo mich begleitet, auch wenn es früh ist.” Sie drehte sich um und ging in Richtung der Felder. Hugo sah ihr noch eine Weile nach. Seine Mutter wurde bald 85. Aber sie ging ruhigen Schrittes mit ihrem Gehstock, Leo federte im Wiegeschritt an Ihrer Seite. Das ist meine Mutter, dachte Hugo, blickte an seinen Beinen herunter, auf seine Schlappen. Ein neuer Fleck war hinzugekommen auf dem einstmals weichen hellen Leder. Er unterdrückte ein Grinsen. Für fein war das auf keinen Fall und erinnerte sich an seinen letzten Besuch beim Metzger, wo er vergessen hatte, seinen Schuhe noch anzuziehen. Das ist Hugo, dachte Hugo, drehte sich mit etwas zu viel Schwung auf einem Fuß in Richtung Tür, die er, halb offen stehend mit dem anderen Schlappen anstieß. Gilda, die das durch das Glasfenster der Tür verfolgt hatte, prustete vor Vergnügen, wobei sie eine kleine Fontäne Kaffee halbmondförmig auf die neue Tischdecke verteilte. Er setzte sich wieder an seinen Platz auf der anderen Seite des Tisches. “Wir passen doch ganz gut zusammen, was meinst Du?” Er erwischte kurz ein unvergleichliches Gilda-Lächeln und war sofort ein wenig froher. “Es ist doch gut, dass die beiden sich so gut verstehen und Leo aufpaßt.” Gilda sah ihn an, ohne auf Antwort zu warten. Er wußte es. Sie brauchte ihn, aber nicht seine Bestätigung. Das hatte ihn schon von Anfang an bei ihr beeindruckt. Sie ruhte in sich. Anders als Hugo. 

Leoporello 02 … wird fortgesetzt.

© Ralf Neitzert